Liebe Eltern,
Der Landesverband Kath. Kindertagesstätten der Diözese Rottenburg Stuttgart hat sich mit der schlimmen Situation der Ukraine beschäftigt und diesen Bericht verfasst. Einen Auszug dazu können Sie hier lesen.

Auch Kinder im KiTa-Alter nehmen die Problematik der Situation wahr – durch Fetzen von Nachrichten, Bilder, Gespräche der Erwachsenen oder auch nur durch die Betroffenheit der Erwachsenen. Für Kinder sind solche Eindrücke häufig schwer zu verarbeiten – die Kita ist in dieser Situation ein Ort, an dem Fragen, Ängste und Sorgen aufgegriffen werden können – und sollen. Für viele Eltern und Fachkräfte ist dies aber eine herausfordernde Situation: wie spreche ich mit Kindern über den Krieg? Wie kann ich Ängste der Kinder im Gespräch sensibel aufnehmen? Wie gehe ich damit um, wenn Kinder Krieg und Gewalt spielen?
Für eine erste Orientierung haben wir die wichtigsten Aussagen zu einem fachlich fundierten Umgang mit kindlichen Sorgen und Fragen zum Thema Krieg und Gewalt im Folgenden zusammengefasst.
Grundsätzlich
Kinder haben ein Recht auf Kindheit! Dies bedeutet auch, dass sie im KiTa-Alter Bilder und Videos aus dem Kriegsgebiet grundsätzlich nicht zu sehen bekommen sollen. Erst etwa ab dem Grundschulalter ist es nicht mehr sinnvoll, Kinder von Medienberichten pauschal fernzuhalten. Wenn Kinder aber das Thema von sich aus ansprechen, ist es wichtig herauszubekommen, woher die Fragen kommen und welche Gefühle und Phantasien vielleicht schon vorhanden sind. Dies gelingt Ihnen durch feinfühliges Beobachten.
Feinfühliges Beobachten
Beobachten Sie das Verhalten, eventuelle Veränderungen sorgsam und feinfühlig und reagieren Sie responsiv. Zeigt das Kind mögliche Signale, die darauf hinweisen, dass es etwas „mit sich herumträgt“?. Achten Sie bitte unbedingt darauf, nicht vorschnell zu interpretieren oder zu projezieren und drängen Sie Kindern keine Gespräche über den Krieg oder ihr Befinden auf. Zeigen Sie sich stattdessen gesprächsbereit und erkunden Sie ggf. durch sensible Fragen: „Macht Dir etwas Sorgen?“ Hören Sie genau (aktiv) zu und reagieren Sie mit Rückfragen: „Wie kommst Du auf diese Frage?“ „Hast Du Bilder gesehen?“ „Was stellst du dir unter Krieg vor?“ So ist es leichter einzuordnen, welche Motivation und welche Vorstellungen dahinterstecken.
Sprechen und Zuhören
Mit Kindern unter 3 Jahren sind Gespräche über Krieg und Gewalt nicht sinnvoll. Bei Kindern etwa ab 4 oder 5 Jahren sollte man die Äußerungen der Kinder aufgreifen und individuell und/oder in kleinen Gruppen bearbeiten. Beantworten Sie Fragen der Kinder möglichst sachlich, offen, ehrlich und seien Sie authentisch. Antworten Sie „dosiert“, mit eher kurzen und einfachen Aussagen. Die Wahrheit muss unbedingt kindgerecht, also der kognitiven und emotionalen Bewältigungsmöglichkeit der Kinder angepasst werden. Wählen Sie dabei sorgsame Beispiele aus der kindlichen Welt. Man kann zum Beispiel sagen, dass da ein Bestimmer ist, der Streit sucht, anderen droht und nicht mit sich reden lässt, obwohl viele versuchen, mit ihm einen Kompromiss zu finden. Sprechen Sie auch darüber, wie Menschen sich gegenseitig trösten, in Sicherheit bringen und für Unterstützung sorgen.
Beantworten Sie die Fragen der Kinder in partieller Offenheit – Kinder halten die Antworten aus, wenn wir sie mit ihren Gefühlen dazu nicht alleine lassen. Je ruhiger und nüchterner Sie selbst über die Situation sprechen können, umso mehr überträgt sich das auf die Kinder. Und je jünger das Kind, desto mehr gilt es ein Gefühl der Sicherheit und Schutz zu vermitteln. Vermitteln Sie in Gesprächen immer „das große UND“. Das bedeutet, dass Sie sachlich und ehrlich beantworten was ist „UND wir sind hier in Sicherheit UND Erwachsene versuchen, mit diesem Bestimmer eine Lösung zu finden UND wir passen gut auf, dass dies hier bei uns nicht geschieht“.
Krieg und Schießen spielen
Sie wissen alle, dass das Spiel des Kindes unter anderem die Verarbeitung von Erlebnissen ist. Die Kinder brauchen die KiTa als geschützten Raum, um dieses verarbeitende Spiel spielen zu dürfen. Sprechen Sie im Team darüber, wie Sie diesen Raum schaffen und dabei auch die Grenzen derer schützen, denen dieses Spiel „zu viel“ wird. Beobachten Sie das Spiel und das Verhalten der Beteiligten sowie der Umliegenden genau. Besprechen und finden Sie mit den Kindern Lösungen.
Umgang mit Ängsten und Sorgen
Angst ist eine überlebenswichtige Emotion, die unbedingt Sinn macht. Da Kinder seismogra-phenartig sowieso die Sorgen der Erwachsenen wahrnehmen, ist es wichtig, an dieser Stelle Vorbild zu sein und eigene Gefühle zuzugeben. Seien Sie klar und wahrhaftig. Nichts ist schlimmer, als die Kindern ihren Phantasien zu überlassen! Denn wenn sie keine Erklärung bekommen, blühen die Phantasien und Ängste. Wenn Kinder Fragen haben, brauchen sie Antworten – wenn sie diese nicht bekommen, erfinden sie ihre eigenen Antworten und Hypothesen und sind mit Ihnen auf sich selbst gestellt. In solch fragilen Zeiten ist es von enormer Bedeutung, das Sicherheitsgefühl der Kinder zu stärken. Dies kann durch gemeinsame Aktivtäten sowie noch mehr Zeit als sonst für liebevolle Zuwendung, Nähe und vertrauensvolles Miteinander geschehen. Ein ritualisierter Segensspruch oder Gebet kann die Aufmerksamkeit auf positive Aspekte und Hoffnung lenken.
Wir hoffen, Sie finden in dieser Zusammenstellung geeignete Impulse für Ihre Familie. Von den vorgeschlagenen Bilderbüchern werden wir einige kaufen und wer möchte, kann diese dann bei uns ausleihen.
Kinderbücher zu den Themen Krieg & Flucht
Frieden von Baptiste & Miranda Paul (ab 3 Jahren) | Dieses Bilderbuch mit einfach, prägnanten Sätzen ist eine Hymne an den Frieden. Frieden beginnt mit ganz kleinen, alltäglichen Taten: Ein Hallo, ein Lächeln, eine Umarmung. Sich anzuschauen und den Namen eines Freundes richtig aussprechen – so einfach kann es sein, Frieden zu finden. |
Akim rennt von Claude K. Dubois (ab 6 Jahren) | Ein sensibel gestaltetes Bilderbuch, das die Auswirkungen von Krieg auf Kinder und Erwachsene aus der Perspektive eines Kindes zeigt. |
Wie ist es, wenn man kein Zuhause hat? von Ceri Roberts (ab 5 Jahren) | Im Sachbilderbuch wird erklärt, wer Zuwanderer und Geflüchtete sind, woher geflüchtete Menschen kommen, warum sie ihre Heimat verlassen, welchen Gefahren sie sich stellen und mehr. |
Wie ist es, wenn es Krieg gibt? Alles über Konflikte von Louise A Spilsbury (ab 5 Jahren) | Das Sachbilderbuch erklärt den Unterschied zwischen Streit und Krieg und welche Auswirkungen gewaltsame Konflikte haben können. Es zeigt aber auch, dass sich viele Menschen auf der ganzen Welt für Frieden einsetzen. |
Es ist Platz für alle von Anahita Teymorian (ab 3-4 Jahren) | Ein gesellschaftskritisches Bilderbuch über Zusammenhalt und Toleranz, das dazu einlädt über die Bedeutung von Platz nachzudenken. |
Sechs Männer von David McKee (ab 5 Jahren) | In knappen, einfachen Sätzen wird kindgerecht das abstrakte Thema „Wie entsteht Krieg?“ erklärt, reduziert auf einfaches menschliches Verhalten. Das Buch fordert auf zum Gespräch über Besitz und Bedürfnis, über eingebildete und reale Bedrohung und Eskalation. Es macht deutlich, wie schnell aus Ängsten Feindbilder werden können und wie wichtig es ist, den Kreislauf der Gewalt zu unterbrechen. |
Die Flucht von Francesca Sanna (ab 4 Jahren) | Aus der Perspektive eines Kindes erzählt das Buch mittels eindrucksvoller Bilder vom beschwerlichen Weg einer Familie aus einem kriegsversehrten Land nach Europa. Eine Geschichte von Verlust und Enttäuschung, von Sehnsucht und Hoffnung. |
Von weit her von Robert Munsch & Saoussan Askar (ab 5 Jahren) | Das Buch erzählt die Geschichte eines Mädchens, welches mit ihrer Familie aus dem kriegsgebeutelten Libanon geflohen ist. Die Autorin schreibt aus ihrer eigenen Betroffenen-Perspektive. Das Buch zeigt die Schwierigkeiten von geflüchteten Kindern und gleichzeitig die Bedeutsamkeit von liebevoll zugewandten, empathischen Menschen. Betroffenen Kindern kann es Zuversicht vermitteln, dass ein Neubeginn möglich ist, auch wenn es zu Beginn nicht so erscheint. |